Lean Startup
Schnell, risikolos und erfolgreich Unternehmen gründen
Eric Ries
Redline, 2012
Eric Ries
Redline, 2012
Trotz vielversprechender Ideen scheitern Start-ups häufig, da sie keinen systematischen Weg finden, ihr Produkt kontinuierlich den Kundenwünschen anzupassen. Die magische Anziehungskraft eines überzeugenden Geschäftsplans, einer scheinbar hieb- und stichfesten Strategie und einer gewissenhaften Marktforschung haben schon viele Gründer in die Irre geführt. Sich allein auf Planung und Prognose zu verlassen, funktioniert nur, wenn sie auf einer langen Erfahrung und einer statischen Umgebung basieren: Start-ups fehlt beides, sie operieren in einem Umfeld extremer Unsicherheit.
„Der Weg nach vorn sollte darin bestehen, jedes Start-up in gleich welcher Branche als Experiment zu betrachten.“
Selbst Kundenbefragungen können falsche Ergebnisse liefern: nämlich dann, wenn es sich um ein innovatives Produkt handelt, das der Kunde erst ausprobieren muss, um einen Nutzen für sich zu entdecken. Umso komplizierter wird es, wenn dieses Ausprobieren gemeinsam mit Freunden und Bekannten geschehen muss, wie im Fall von Social-Networking-Produkten.
„Ein minimal funktionsfähiges Produkt (MFP) unterstützt Entrepreneure dabei, den Lernprozess so schnell wie möglich in Gang zu setzen.“
Die Bezeichnung „Lean Start-up“ ist aus der Lean-Manufacturing-Bewegung abgeleitet, der „schlanken Produktion“, die auf das Managementsystem des Automobilkonzerns Toyota zurückgeht. Die fünf Lean-Start-up-Prinzipien lauten:
„Dem minimal funktionsfähigen Produkt fehlen noch viele Merkmale oder Funktionen, die sich später als wichtig erweisen könnten.“
„Unser Ziel bei der Produktentwicklung ist die Durchführung von Experimenten, um zu lernen, wie man ein tragfähiges Geschäftsmodell aufbaut.“
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte man wissenschaftliche Methoden ein, um die Effizienz der Produktionsmethoden zu steigern. Damals ging es vor allem darum, Grundbedürfnisse mit günstigen Produkten zu befriedigen. Um die potenziellen Abnehmer musste man sich wenig Gedanken machen, solange das Produkt effizient hergestellt und preisgünstig angeboten wurde.
„Ein Lean Start-up hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn es eine Organisation aufbauen kann, die so wendig und schnell ist wie die wechselnden Herausforderungen, denen es sich gegenübersieht.“
Heute können wir eine unglaubliche Anzahl von Dingen schnell und effizient produzieren, aber wir wissen immer weniger, ob die potenziellen Kunden die neuen Produkte und Dienstleistungen auch annehmen werden. Statt uns auf die Effizienz der Produktion zu konzentrieren, sollten wir Innovation mit wissenschaftlichen Methoden verbinden und dadurch die Effizienz von Entrepreneurship und Start-ups revolutionieren.
„Ein Kennzeichen des nachhaltigen Wachstums lässt sich auf eine einfache Regel zurückführen: Neukunden gewinnt man durch Erfahrungen mit dem Verhalten bestehender Kunden.“
Alle Entrepreneure, egal, ob sie in etablierten Unternehmen arbeiten oder ein Start-up aufbauen, haben eines gemeinsam: Sie sind Visionäre, die bereit sind, etwas zu riskieren, um Innovationen voranzutreiben und neue Produkte zu entwickeln. Sie tun das in einer Situation extremer Ungewissheit. Validierte Lernprozesse helfen dem Entrepreneur bei der Entwicklung eines tragfähigen Geschäftsmodells: Er muss sich stets fragen, ob das, was er tun möchte, unbedingt erforderlich ist, um herauszufinden, was der Kunde tatsächlich will. Kann er diese Frage nicht bejahen, muss er auf die Aktivität verzichten. Dieser fortlaufende Prozess ist Kernbestandteil der Lean-Start-up-Methode.
„Ein Start-up kann Aufschluss darüber gewinnen, ob es sich auf dem Weg zur Produkt-Markt-Übereinstimmung befindet, wenn es seinen Wachstumsmotor nach jedem Durchlauf durch die Bauen-Testen-Lernen-Feedbackschleife des Innovationsbilanzprozesses neu justiert.“
Jedes Start-up geht in seinem Geschäftsplan von bestimmten Grundannahmen aus, die besonders risikobeladen und gleichzeitig besonders bedeutend sind. Diese benötigen einen Vertrauensvorschuss. Die wichtigsten Annahmen sind jene über den Nutzen des Produkts und seine Wachstumschancen. Um diese Hypothesen zu testen, beginnt das Start-up mit einem minimal funktionsfähigen Produkt (MFP). Mit dessen Hilfe wird der Lernprozess, der den Kern der Lean-Start-up-Methode bildet, so schnell wie möglich in Gang gebracht.
„Erst wenn ein Start-up einen Wachstumsmotor erprobt und für gut befunden hat, sollte es zu einem anderen überwechseln.“
Das MFP verzichtet auf alle nicht unbedingt notwendigen Funktionen, damit die Bauen-Testen-Lernen-Feedbackschleife schnell und mit geringem Aufwand durchlaufen wird. Das Gelernte muss unverzüglich umgesetzt und in der nächsten Feedbackschleife erneut überprüft werden. Durch diesen Prozess des validierten Lernens wird das Produkt mithilfe echter Kunden weiterentwickelt – in Richtung „Product-Market Fit“: Das ist der Punkt, an dem das Produkt sein volles Potenzial entfaltet und ein großes Kundensegment erschließt – im Idealfall groß genug, um das Überleben des Start-ups aus eigener Kraft zu sichern.
„Wir sind heute in der Lage, alle nur erdenklichen Ideen zu realisieren. Die große Frage in unserer Zeit lautet nicht etwa: Können wir das machen? Sondern: Sollten wir das machen?“
Die so genannte Innovationsbilanz besteht aus drei Schritten:
„Es gibt nichts, was nutzloser wäre, als mit großer Effizienz eine Arbeit zu verrichten, die überhaupt nicht verrichtet werden sollte.“
„Wir konzentrieren uns auf die funktionale Effizienz und verlieren dadurch das wahre Ziel jeder Innovation aus den Augen: lernen, um unser Wissen zu erweitern.“
Alle Produktoptimierungen müssen das Kundenverhalten in der einen oder anderen Form verbessern (z. B. indem sie die Anzahl der Neukunden steigern). Wenn das nicht der Fall ist, sollten die Veränderungen ohne Bedenken oder Schuldzuweisungen als Fehlschlag verbucht werden. Mit jeder Optimierung ergibt sich die Chance für ein neues Experiment, und der Zyklus beginnt von vorn.
„Wir haben viele Schwarze Peter, die wir verteilen können, aber nur wenige Theorien, die als Orientierungshilfe für Unternehmensführer und Investoren dienen könnten.“
Damit Ihr Start-up die Bauen-Testen-Lernen-Feedbackschleife möglichst gut durchläuft, sollten Sie, vor allem in der Produktentwicklung, Ihre Experimente mit der kleinsten Batchgröße planen, die diesen Zweck erfüllt. Schlanke Produktionskonzepte setzen auf kleine Batch- oder Losgrößen, damit der Korrekturaufwand überschaubar bleibt. Traditionelle Produktionsverfahren favorisieren große Mengen, um die Effektivität zu erhöhen.
Start-ups sollten sich zunächst auf einen Wachstumsmotor konzentrieren, bis dieser auf vollen Touren läuft. Da sich der Erfolg in Zahlen ausdrücken lässt, kann das Konzept des Product-Market Fit anhand der Wachstumsmotoren quantifiziert werden:
Diese Methode der investigativen Fragestellung wurde ursprünglich vom Automobilkonzern Toyota entwickelt. Die einfache Idee, fünfmal nach dem „Warum“ zu fragen, beruht auf der Erkenntnis, dass nahezu jedes Problem eine tiefer liegende menschliche Ursache hat: Was sich z. B. als technischer Defekt darstellt (ein Server funktioniert nicht), entpuppt sich unter Umständen nach mehreren Fragerunden als menschliches Führungsproblem (der zuständige Ingenieur wurde nicht korrekt eingewiesen, weil der zuständige Manager überlastet war). Vermeiden Sie bei Ihrer Warum-Analyse aber unbedingt Schuldzuweisungen: Vielmehr geht es darum, das Problem auf allen Systemebenen zu verstehen und zu lösen.
Um die Erneuerung etablierter Unternehmen in Richtung Lern- und Innovationsorientierung voranzutreiben, kann eine „Innovations-Sandbox“ eingerichtet werden: Die möglichen Auswirkungen radikaler neuer Ideen werden zunächst in einem „eingezäunten“ Terrain getestet, zwar ohne den unternehmerischen Impuls des Innovationsteams einzuschränken, aber an echten Kunden.
Innerhalb der Sandbox werden die Lean-Start-up-Prinzipien in die Praxis umgesetzt: Auf der Grundlage erster Kunden-Archetypen werden eine innovative Idee und ein minimal funktionsfähiges Produkt entwickelt. Mithilfe von Experimenten (z. B. „Split-Run-Tests“, bei denen Kunden unterschiedliche Versionen des Produkts benutzen) wird die Ideallinie für das neue Produkt gesucht.
Eric Ries hat den Begriff „Lean Start-up“ 2008 geprägt und die damit verbundene Methode entwickelt. 2007 ernannte ihn Bloomberg Businessweek zu einem der besten Nachwuchsgründer im Technologiebereich. 2010 wurde er von der Harvard Business School zum „Entrepreneur in Residence“ gekürt. Neben Vorträgen und Publikationen ist er als Gründer tätig, berät Unternehmen und arbeitet im Virtual-Reality-Unternehmen There.
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