Skip to main content
Lean Startup
Schnell, risikolos und erfolgreich Unternehmen gründen

Eric Ries
Redline, 2012

Buch kaufen   getabstract.com besuchen

Take-aways
  • Die meisten Start-ups scheitern, weil sie ihr Produkt nicht systematisch und kontinuierlich den wechselnden Kundenwünschen anpassen.
  • Heute lässt sich nahezu jedes Produkt schnell und effektiv produzieren, aber wir wissen immer weniger, ob die Kunden das neue Produkt auch akzeptieren.
  • Planung und Prognose funktionieren nur, wenn sie auf langer Erfahrung und statischer Umgebung basieren: Start-ups fehlt beides.
  • Entrepreneure gibt es überall: Wenn man sie nur lässt, können sie Innovationsorientierung und Lernbereitschaft jedes Unternehmens steigern.
  • Auch wenn es als langweilig gilt und seine Bedeutung unterschätzt wird: Jedes Startup benötigt ein professionelles Management.
  • Ein minimal funktionsfähiges Produkt (MFP) und die „Bauen-Testen-Lernen-Feedbackschleife“ helfen bei der Produktentwicklung und -optimierung.
  • Nur was das Kundenverhalten verbessert, darf sich durchsetzen.
  • Wenn alle Feinabstimmungen erledigt sind, stellt sich die Frage, ob das Start-up den grundsätzlichen Kurs beibehält oder wechselt.
  • Warum-Fragen geben Aufschluss über die tiefer liegenden Problemursachen.
  • Eine „Innovations-Sandbox“ macht Unternehmen lern- und innovationsorientierter.
Die meisten Start-ups scheitern

Trotz vielversprechender Ideen scheitern Start-ups häufig, da sie keinen systematischen Weg finden, ihr Produkt kontinuierlich den Kundenwünschen anzupassen. Die magische Anziehungskraft eines überzeugenden Geschäftsplans, einer scheinbar hieb- und stichfesten Strategie und einer gewissenhaften Marktforschung haben schon viele Gründer in die Irre geführt. Sich allein auf Planung und Prognose zu verlassen, funktioniert nur, wenn sie auf einer langen Erfahrung und einer statischen Umgebung basieren: Start-ups fehlt beides, sie operieren in einem Umfeld extremer Unsicherheit.

„Der Weg nach vorn sollte darin bestehen, jedes Start-up in gleich welcher Branche als Experiment zu betrachten.“

Selbst Kundenbefragungen können falsche Ergebnisse liefern: nämlich dann, wenn es sich um ein innovatives Produkt handelt, das der Kunde erst ausprobieren muss, um einen Nutzen für sich zu entdecken. Umso komplizierter wird es, wenn dieses Ausprobieren gemeinsam mit Freunden und Bekannten geschehen muss, wie im Fall von Social-Networking-Produkten.

„Ein minimal funktionsfähiges Produkt (MFP) unterstützt Entrepreneure dabei, den Lernprozess so schnell wie möglich in Gang zu setzen.“

Die fünf Lean-Start-up-Prinzipien

Die Bezeichnung „Lean Start-up“ ist aus der Lean-Manufacturing-Bewegung abgeleitet, der „schlanken Produktion“, die auf das Managementsystem des Automobilkonzerns Toyota zurückgeht. Die fünf Lean-Start-up-Prinzipien lauten:

„Dem minimal funktionsfähigen Produkt fehlen noch viele Merkmale oder Funktionen, die sich später als wichtig erweisen könnten.“

  1. Mitarbeiter mit der Grundeinstellung eines Entrepreneurs finden sich in jedem Unternehmen, unabhängig von Größe, Sektor oder Branche. Wenn man sie nur lässt, können sie mithilfe des Lean-Start-up-Ansatzes jedes Unternehmen in Richtung stärkerer Lern- und Innovationsorientierung verändern.
  2. Gründergeist – oder Entrepreneurship – reicht aber nicht aus. Entgegen dem Image des unkonventionellen, Regeln missachtenden, außerhalb der ‚Box‘ denkenden Entrepreneurs ist ein professionelles Management auch für ein Start-up unverzichtbar: Schließlich geht es nicht nur um ein Produkt, sondern auch um eine Organisation, deren Umwelt von extremer Unberechenbarkeit geprägt ist.
  3. Der Daseinszweck eines Start-ups ist zu lernen, wie man ein tragfähiges Geschäftsmodell aufbaut. Mithilfe fortlaufender Experimente können Entrepreneure jede Hypothese ihrer unternehmerischen Vision überprüfen und sie der sich ständig verändernden Umwelt anpassen: Dieser Prozess des „validierten Lernens“ ist einer der Kernbestandteile der Lean-Start-up-Methode.
  4. Start-ups verwandeln Ideen in Produkte, messen die Reaktion der Kunden und leiten daraus ab, ob der eingeschlagene Weg richtig ist oder ob Anpassungen nötig sind. Die Überlebensdauer eines Start-ups verlängert sich, je schneller und öfter die Feedbackschleife von bauen, testen, lernen“ durchlaufen werden kann, bevor die Anschubfinanzierung ausläuft.
  5. Um die Erfolge eines Start-ups zu messen, Meilensteine zu errichten und Prioritäten zuzuweisen, ist eine spezielle Form der Bilanzierung nötig, die so genannte Innovationsbilanz.

„Unser Ziel bei der Produktentwicklung ist die Durchführung von Experimenten, um zu lernen, wie man ein tragfähiges Geschäftsmodell aufbaut.“

Entrepreneurship und Lernen

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte man wissenschaftliche Methoden ein, um die Effizienz der Produktionsmethoden zu steigern. Damals ging es vor allem darum, Grundbedürfnisse mit günstigen Produkten zu befriedigen. Um die potenziellen Abnehmer musste man sich wenig Gedanken machen, solange das Produkt effizient hergestellt und preisgünstig angeboten wurde.

„Ein Lean Start-up hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn es eine Organisation aufbauen kann, die so wendig und schnell ist wie die wechselnden Herausforderungen, denen es sich gegenübersieht.“

Heute können wir eine unglaubliche Anzahl von Dingen schnell und effizient produzieren, aber wir wissen immer weniger, ob die potenziellen Kunden die neuen Produkte und Dienstleistungen auch annehmen werden. Statt uns auf die Effizienz der Produktion zu konzentrieren, sollten wir Innovation mit wissenschaftlichen Methoden verbinden und dadurch die Effizienz von Entrepreneurship und Start-ups revolutionieren.

„Ein Kennzeichen des nachhaltigen Wachstums lässt sich auf eine einfache Regel zurückführen: Neukunden gewinnt man durch Erfahrungen mit dem Verhalten bestehender Kunden.“

Alle Entrepreneure, egal, ob sie in etablierten Unternehmen arbeiten oder ein Start-up aufbauen, haben eines gemeinsam: Sie sind Visionäre, die bereit sind, etwas zu riskieren, um Innovationen voranzutreiben und neue Produkte zu entwickeln. Sie tun das in einer Situation extremer Ungewissheit. Validierte Lernprozesse helfen dem Entrepreneur bei der Entwicklung eines tragfähigen Geschäftsmodells: Er muss sich stets fragen, ob das, was er tun möchte, unbedingt erforderlich ist, um herauszufinden, was der Kunde tatsächlich will. Kann er diese Frage nicht bejahen, muss er auf die Aktivität verzichten. Dieser fortlaufende Prozess ist Kernbestandteil der Lean-Start-up-Methode.

„Ein Start-up kann Aufschluss darüber gewinnen, ob es sich auf dem Weg zur Produkt-Markt-Übereinstimmung befindet, wenn es seinen Wachstumsmotor nach jedem Durchlauf durch die Bauen-Testen-Lernen-Feedbackschleife des Innovationsbilanzprozesses neu justiert.“

Das minimal funktionsfähige Produkt

Jedes Start-up geht in seinem Geschäftsplan von bestimmten Grundannahmen aus, die besonders risikobeladen und gleichzeitig besonders bedeutend sind. Diese benötigen einen Vertrauensvorschuss. Die wichtigsten Annahmen sind jene über den Nutzen des Produkts und seine Wachstumschancen. Um diese Hypothesen zu testen, beginnt das Start-up mit einem minimal funktionsfähigen Produkt (MFP). Mit dessen Hilfe wird der Lernprozess, der den Kern der Lean-Start-up-Methode bildet, so schnell wie möglich in Gang gebracht.

„Erst wenn ein Start-up einen Wachstumsmotor erprobt und für gut befunden hat, sollte es zu einem anderen überwechseln.“

Das MFP verzichtet auf alle nicht unbedingt notwendigen Funktionen, damit die Bauen-Testen-Lernen-Feedbackschleife schnell und mit geringem Aufwand durchlaufen wird. Das Gelernte muss unverzüglich umgesetzt und in der nächsten Feedbackschleife erneut überprüft werden. Durch diesen Prozess des validierten Lernens wird das Produkt mithilfe echter Kunden weiterentwickelt – in Richtung „Product-Market Fit“: Das ist der Punkt, an dem das Produkt sein volles Potenzial entfaltet und ein großes Kundensegment erschließt – im Idealfall groß genug, um das Überleben des Start-ups aus eigener Kraft zu sichern.

„Wir sind heute in der Lage, alle nur erdenklichen Ideen zu realisieren. Die große Frage in unserer Zeit lautet nicht etwa: Können wir das machen? Sondern: Sollten wir das machen?“

Die Innovationsbilanz

Die so genannte Innovationsbilanz besteht aus drei Schritten:

„Es gibt nichts, was nutzloser wäre, als mit großer Effizienz eine Arbeit zu verrichten, die überhaupt nicht verrichtet werden sollte.“

  1. Um realistische Daten zu erhalten, müssen reale Kunden das minimal funktionsfähige Produkt ausprobieren (z. B. in Form einer Betaversion).
  2. Die Erfahrungen mit dem MFP ermöglichen dem Management, Feinabstimmungen der Parameter vorzunehmen und so das Start-up in Richtung Ideallinie weiterzuentwickeln.
  3. Sind alle Möglichkeiten der Feinabstimmung und Produktverbesserung ausgeschöpft, stellt sich die Frage, ob das Start-up den grundsätzlichen Kurs beibehalten oder wechseln soll.

„Wir konzentrieren uns auf die funktionale Effizienz und verlieren dadurch das wahre Ziel jeder Innovation aus den Augen: lernen, um unser Wissen zu erweitern.“

Alle Produktoptimierungen müssen das Kundenverhalten in der einen oder anderen Form verbessern (z. B. indem sie die Anzahl der Neukunden steigern). Wenn das nicht der Fall ist, sollten die Veränderungen ohne Bedenken oder Schuldzuweisungen als Fehlschlag verbucht werden. Mit jeder Optimierung ergibt sich die Chance für ein neues Experiment, und der Zyklus beginnt von vorn.

„Wir haben viele Schwarze Peter, die wir verteilen können, aber nur wenige Theorien, die als Orientierungshilfe für Unternehmensführer und Investoren dienen könnten.“

Batchgrößen und Wachstumsmotoren

Damit Ihr Start-up die Bauen-Testen-Lernen-Feedbackschleife möglichst gut durchläuft, sollten Sie, vor allem in der Produktentwicklung, Ihre Experimente mit der kleinsten Batchgröße planen, die diesen Zweck erfüllt. Schlanke Produktionskonzepte setzen auf kleine Batch- oder Losgrößen, damit der Korrekturaufwand überschaubar bleibt. Traditionelle Produktionsverfahren favorisieren große Mengen, um die Effektivität zu erhöhen.

Start-ups sollten sich zunächst auf einen Wachstumsmotor konzentrieren, bis dieser auf vollen Touren läuft. Da sich der Erfolg in Zahlen ausdrücken lässt, kann das Konzept des Product-Market Fit anhand der Wachstumsmotoren quantifiziert werden:

  • Wenn ein Produkt darauf angelegt ist, Kunden langfristig zu gewinnen und zu halten, handelt es sich um einen „zähen Wachstumsmotor“. Der Fokus muss in diesem Fall auf der Kundenbindung liegen: Sobald die Menge der neugewonnenen Kunden die Fluktuationsrate übersteigt, wächst das Produkt aus eigener Kraft.
  • Wenn die Produktwahrnehmung von einer Person auf die nächste überspringt wie bei einem Virus, handelt es sich um den „viralen Wachstumsmotor“. Der so genannte „virale Koeffizient“ misst die Anzahl der Neukunden, die von einem bestehenden Kunden angeworben wurden. Ist der Koeffizient größer als eins, bedeutet das, dass jeder Kunde mehr als einen weiteren hinzugewinnt: In diesem Fall hat das Produkt den Durchbruch geschafft, der „virale Loop“ führt zu einem exponentiellen Wachstum.
  • Unternehmen, die auf den „bezahlten Wachstumsmotor“ setzen, investieren einen hohen Anteil ihrer Mittel in Marketing und Vertrieb. Letztlich hängt der Erfolg des Produkts (und in den meisten Fällen das Überleben des Start-ups) davon ab, wie teuer es für das Unternehmen ist, einen Neukunden zu gewinnen. Um die Wachstumsrate zu erhöhen, gibt es zwei Möglichkeiten: den Umsatz pro Kunde zu steigern oder die Akquisitionskosten zu verringern. Der Durchbruch ist erreicht, wenn das Unternehmen mehr an seinen Kunden verdient, als es für die Kundenakquisition ausgibt.
Die Fünf-Warum-Analyse

Diese Methode der investigativen Fragestellung wurde ursprünglich vom Automobilkonzern Toyota entwickelt. Die einfache Idee, fünfmal nach dem „Warum“ zu fragen, beruht auf der Erkenntnis, dass nahezu jedes Problem eine tiefer liegende menschliche Ursache hat: Was sich z. B. als technischer Defekt darstellt (ein Server funktioniert nicht), entpuppt sich unter Umständen nach mehreren Fragerunden als menschliches Führungsproblem (der zuständige Ingenieur wurde nicht korrekt eingewiesen, weil der zuständige Manager überlastet war). Vermeiden Sie bei Ihrer Warum-Analyse aber unbedingt Schuldzuweisungen: Vielmehr geht es darum, das Problem auf allen Systemebenen zu verstehen und zu lösen.

Die Innovations-Sandbox

Um die Erneuerung etablierter Unternehmen in Richtung Lern- und Innovationsorientierung voranzutreiben, kann eine „Innovations-Sandbox“ eingerichtet werden: Die möglichen Auswirkungen radikaler neuer Ideen werden zunächst in einem „eingezäunten“ Terrain getestet, zwar ohne den unternehmerischen Impuls des Innovationsteams einzuschränken, aber an echten Kunden.

Innerhalb der Sandbox werden die Lean-Start-up-Prinzipien in die Praxis umgesetzt: Auf der Grundlage erster Kunden-Archetypen werden eine innovative Idee und ein minimal funktionsfähiges Produkt entwickelt. Mithilfe von Experimenten (z. B. „Split-Run-Tests“, bei denen Kunden unterschiedliche Versionen des Produkts benutzen) wird die Ideallinie für das neue Produkt gesucht.

Über den Autor

Eric Ries hat den Begriff „Lean Start-up“ 2008 geprägt und die damit verbundene Methode entwickelt. 2007 ernannte ihn Bloomberg Busi­ness­week zu einem der besten Nachwuchsgründer im Tech­nolo­giebere­ich. 2010 wurde er von der Harvard Business School zum „En­tre­pre­neur in Residence“ gekürt. Neben Vorträgen und Pub­lika­tio­nen ist er als Gründer tätig, berät Unternehmen und arbeitet im Vir­tual-Re­al­ity-Un­ternehmen There.